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Untitled Handbrake

If you have ever stood near a steep drop, you will know that sinking feeling in your stomach. A sudden gust of wind could push you over the edge. A misplaced step and loose stones crumble under your feet, sending you into the abyss, flailing and scrambling for a branch or root to grab on to. Or maybe you don’t fantasize and just enjoy the view. But if you shift over the edge just a little more… Elevator-Tummy. You get the picture.

You get that feeling not because you’re actually in danger of falling (unless, of course, you are). The odd lump of dizziness comes from imagining a rush you can only feel once, ever – at the price of feeling nothing at all.

Survival is everything. You step away from the crevice, canyon or thick glass plate and enjoy the wave of relief washing through your body. It’s why many of us shy away from risks, and admire those who sky-dive into unknown adventures. Whichever way you’re inclined, feeling uncomfortable with your level of risk-taking is a signal that your mind craves a balance. Risks are part of our everyday life, and they’re not going anywhere soon.

If you’re like me, you will know the feeling of scraping around life with the handbrake on. You do the same as everyone else, growing up into conformity, then tearing away from it all to discover your own limitations. You spend time finding out what makes you so goddamn special, then some more time grudgingly accepting the stuff you suck at. You have the feeling you can achieve anything you want, the world is an oyster, forever shaping your beautiful pearl. But something is stopping you. You know you could have everything you ever wished for, if only you could take that leap of faith – and become the person you want to be.

This is not an instruction manual. I am facing that very leap of faith every day, and I humbly invite you to read, share and comment on my musings. In return, I hope to inspire you to take the handbrake off and take charge of your life. If you stick with it, this program will charge your soul, body and mind.

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Herbstoffensive der AfD

Am Samstag, 07.11.2015, lud die AfD zum Abschluss ihrer Herbstoffensive am Roten Rathaus in Berlin ein. Mehr wusste ich nicht – es war genug, um einen Freund zu mobilisieren und von der Friedrichstrasse aus die Gegendemonstration zu suchen.

An einem sonnigen Herbsttag liefen wir also Unter den Linden entlang, in Richtung Bebelplatz, dem Ort, an dem vor 70 Jahren unter rechtspopulistischem Gejohle tausende Bücher jüdischer Mitmenschen verbrannt wurden.

Um 12 Uhr Mittags war es noch problemlos, durch die von der Polizei vorbereiteten Absperrungen hindurchzutreten. Gleich drei Reihen an Metallgittern… Offensichtlich rechnete man mit Rangeleien. Ich malte mir Menschenmassen aus, die Hass- und Angsterfüllt aufeinanderprallen wollen.

Auf der einen Seite die AfD-Anhänger, ein merkwürdiger, bunter Haufen aus aufgesogenen Pegida-Marschierern, Neonazis und konservativen Spießbürgern, die generell gegen Veränderung und die aktuellen Regierung sind – was immer sie auch sein mag.

Auf der anderen Seite der bekannte Pulk der Gegner, eine Mischung aus Antifa und “besorgten Bürgern” – eine Bezeichnung, die AfD und Pegida für sich annektieren will. Ich bin auch besorgt. Wie viele heute will ich demonstrieren, weil ich schockiert darüber bin, wie schnell rechte Hetze und Gewalt gewachsen ist und nun das Bild von Deutschland trübt. Ich bin schlicht fassungslos, weil ich nicht weiss, wie es aufzuhalten ist. Mein Freund erzählt mir, Deutschlandweit würden mittlerweile 8% der Wähler ihr Kreuz bei der AfD machen. Bei einer Partei, die bis vor kurzem nicht ernstgenommen wurde, weil sie eh nur eine kleine Version der NPD darstellte.

Angeblich hat die CDU ihre rechten Wähler verloren. Das sollte ein Grund zur Freude sein, und die CDU hat zur Gegenkundgebung am Brandenburger Tor aufgerufen – auch neu, auch lobenswert. Nur fühlt sich die Fraktion der konservativen Deutschen, die die CDU verlassen haben, selbst auch verlassen – und verloren. Und findet ihre Stimme wieder durch Frauke Petry und ihre AfD, die sie nur zu gerne wieder aufsammelt. Und so sind sie nun am Roten Rathaus wiederzufinden, wo die AfD nun unglaubliche 5000 Anhänger mobilisieren konnte.

Der Bebelplatz ist leer. Wir laufen in Richtung Süden und finden die Gegenbewegung am Gendarmenmarkt. Allen voran wie üblich schwarz gekleidete Antifa, weiter hinten sind Sambatrommeln zu hören und bunte Fahnen sorgen für etwas Farbe und ausgelassene Stimmung.

Ausgelassen aber ernst. Jeder hier weiss, dass es ein großes Problem gibt. Unsichere und ängstliche Menschen werden von der rechten Bewegung gezielt angesprochen und eingefangen, allen voran im Internet. Jede noch so simple Online-Community wird in kürzester Zeit von rassistischen Trolls belagert und mit Hetze, Fehlinformationen über “Konsumflüchtlinge” und fiesen Videos gefüllt. Die Moderatoren dieser Webseiten haben momentan alle Hände voll zu tun. Wird ein Troll übersehen, kann es schnell ausufern und hunderte von Kommentaren hervorzaubern, darunter auch viele Befürworter der Einstellungen, dass man nicht alles in den Medien glauben sollte und die meisten der Flüchtlinge nur nach Deutschland kommen, weil sie auch endlich mal einen LCD-Fernseher haben wollen.

Wir entscheiden uns dazu, den schwarzen Block etwas an uns vorbeiziehen zu lassen. Mein Freund sagt, Gewalt sollte auf keiner Seite eine Rolle spielen. Sehe ich auch so, sage ich. Das stimmt zwar, aber tief in mir wächst ebenfalls die Frustration, keine Lösung zu haben. Zusehen zu müssen, wie die braune Meute immer mehr Zuwachs erhält. Früher, also quasi noch letztes Jahr, konnte man eine rechte Demo noch am Bahnhof stoppen und sich darüber freuen, wie die Glatzen unverrichteter Dinge wieder umkehren mussten.

Heute ist es anders. Nazi-Demos sind nicht mehr unbedingt so deutlich, sondern gefüllt mit Senioren, Kindern und vermeintlich gebildeten Studenten und jungen Menschen in ganz normalen Klamotten. Und wir müssen zusehen, wie sie in die Kameras der Journalisten, die sie so hassen, die Parolen ihrer neuen Anführer wiedergeben: “Die Flüchtlinge vergewaltigen unsere Frauen und Kinder”, “Ganz Deutschland wird zum Islamischen Staat”, “Die Syrer können ja später wieder in ihre Heimat, UNSERE Heimat gibt es dann nicht mehr”.

Nie ist mir diese Problematik so deutlich geworden wie heute, dem Abschluss der “AfD-Herbstoffensive”.  Wir stehen noch am Gendarmenmarkt, eine Polizeiabsperrung hält den Zug davon ab, die Französische Strasse zu verlassen. Wie überaus weiträumig diese Absperrung ist erfahre ich erst später. Ein hübsches Antifa-Mädchen drückt mir einen Zettel in die Hand and flüstert “haltet Euch bereit!”. Kurz darauf öffnen sich an der Spitze der Masse ein paar grüne Regenschirme, das Zeichen zum Sturm: Die schwarze Front fliesst durch die Polizeiabsperrung, die Beamten sind erst überrascht aber handeln schnell. Mit Pfefferspray und dichtmachen. Die Demonstranten, die keinen Zettel in die Hand bekommen haben, bewegen sich mit der Masse, die dann wieder anhält. Alle sind etwas ratlos. Was passiert da vorne, geht es endlich weiter?

Jetzt ja, der Versuch ist fehlgeschlagen, also wie gehabt, rüber zum Bebelplatz. Die Gegendemostration sammelt sich dort, zum Erstaunen der fotografierenden Touristengruppen. Lautsprecher an einem VW-Bulli der Antifa sorgt für Musik, Information und Stimmung. Unter den Linden ist mittlerweile nicht mehr für uns erreichbar, die Polizei hat dichtgemacht. So leergefegt strahlt die vierspurige Allee eine angenehme Ruhe aus, dahinter liegt in der Sonne das Hauptgebäude der Humboldt-Universität. Für mich schon immer ein besonderes Wahrzeichen Berlins, das für wissenschaftliche Bildung und dem neugiereigen Erkunden der Welt steht. So schön es hier ist, ich frage mich, warum wir hier stehen. In einer halben Stunde beginnt ein paar hundert Meter weiter die AfD-Kundgebung am Roten Rathaus. Warum sind wir nicht dort? Ich versuche noch einmal, mehr Information zu googeln, ausser der Versammlung am Rathaus hatte ich zuvor nichts in Erfahrung bringen können.

Etwas sprachlos starre ich auf mein Handy. Die AfD hat geschafft, was der NPD und anderen rechten Demonstration verwehrt geblieben war. Die gesamte Unter den Linden- Allee hinunter, an allen historischen Gebäuden vorbei, bis zum Brandenburger Tor und von dort zum Hauptbahnhof. Eine riesige Strecke, gepuffert durch jede Menge Platz und Abstand. Mir wurde schlecht. Agfachrom-Bilder von Hakenkreuz-schwenkenden NSDAP-Anhängern, die Ihre vorbeiziehenden Massenmörder-Idolen zujubeln, kamen mit etwas Galle hoch. Heute würde wieder ein massiver Pulk an Nazis fröhlich winkend an den Gedenkstätten vorbeiwandern, an denen sich vor 70 Jahren so fürchterliches zugetragen hat. Und es gab nichts, was man dagegen tun konnte.

 

Ich blickte auf. Der Bebelplatz war beinahe leergefegt. Der Hauptteil der Gegendemonstration musste sich zum Roten Rathaus bewegt haben und auf der Suche nach einer Lücke sein, um die AfD-Bewegung zu blockieren. Es war kurz vor 13 Uhr. Wir machten uns auf, um uns einen besseren Überblick zu verschaffen.

Der einzige erreichbare Weg führte an den notorischen Baustellen Mittes vorbei, das Skelett vom Stadtschloss mit seinen Containern und Bauzäunen formte eine natürliche Abgrenzung. An der Brücke zur Rathausstrasse konnte man zum ersten Mal wieder etwas sehen. Ein paar Leute hatten sich auf das Spreeuferpromenade begeben und so versucht, an den Routenabschnitt am Berliner Dom heranzukommen. Natürlich keine Chance, die Polizei hatte diesen Flaschenhals problemlos gesichert. Auf der anderen Uferseite nutzten ein paar Antifas eine matschige Baustelle, um zur AfD-Kundgebung vorzustossen, die sich nun offensichtlich nicht am Rathaus, sondern vor dem AquaDom Spandauer Ecke Karl-Liebknecht-Str. versammelt hatte. Unter unser zustimmenden Rufen verschwanden die Aktivisten kurz von unseren Blicken, nur um uns Sekunden später wieder entgegengerannt zu kommen, mit einem Trupp Polizisten im Schlepptau.

Diese bauten sich auch gleich vor die übersehene Lücke im Bauzaun auf, das Pfefferspray im Anschlag. Um uns herum waren überall verteilt Gegendemonstranten und Kinder, so unschlüssig wie wir, wo wir denn nun hinsollten um überhaupt gesehen und gehört zu werden. Dann etwas Aufregung, weil in der Menge plötzlich ein paar Deutschlandfahnen auftauchten. Tatsächlich waren es verspätete AfDler, die jetzt nicht mehr wussten, wie sie zu ihren Leuten gelangen sollten. Etwas fassunglos mussten wir mitansehen, wie die Polizei sie sicher über dieselbe Baustelle geleitete, über die sie gerade die Antifas verscheucht hatte.

Wir gingen weiter, wollten näher ran. Die Kundgebung war massiv geschützt, der komplette Park gegenüber des Neptunbrunnens war abgesperrt. An der Kreuzung beim AquaDom war es nun, das Pack, das sich das Volk nennt, in all seiner Größe von angeblich 5000 Teilnehmern. An der Absperrung fanden wir unseren Gegenmob und die bunten Fahnen vom Bebelplatz wieder. Aber auch, mittendrin, AfD-Schilder und Deutschlandfahnen. Was war hier los? Ich drückte mich durch die Menschen, entlang der Absperrung, um es besser verstehen zu können. Auf dem Weg brannten sich Bilder in meinem Kopf fest. Ein Polizist, der sich lachend mit einem AfDler über uns unterhält. Ein wütender Mob, der sich “Nazis raus!”-skandierend an die Absperrung presst, direkt dahinter die Ursache der Aggression: Ein einzelner Mann, der müde lächelnd ein kleines Deutschlandfänchen schwenkt. Er steht und winkt und lächelt und geniesst. Heute haben wir gewonnen. Und ihr könnt nichts dagegen tun. Schreit, soviel ihr wollt – wir werden Euch zulächeln und zuwinken. Nennt ihr uns Nazis, wünschen wir Euch noch einen schönen Tag.

An der merkwürdigen Mischung von Antifa- und AfD-Symbolen angekommen, wird mir die Szene klar. Offensichtlich hatte es eine kleine Gruppe an AfDlern nicht rechtzeitig geschafft, zu ihren Leuten hinzuzustossen. Gegendemonstranten hatten ein kleine Blockade geformt, damit sie das auch zukünftig nicht schaffen. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, so halt. Ich kam jedenfalls genau richtig, um zu sehen, wie die Polizei da nicht mehr mitmachte. Wie sie plötzlich eine riesige Wolke an Pfefferspray verfeuerte. Wie die Gegendemostranten, schreiend und mit brennenden Gesichtern, brachial in die herumstehende Menge geschoben wurde. Wie der Rollstuhlfahrer neben mir dabei beinahe zerdrückt wurde. Wie die AfDler dadurch schließlich doch zu ihresgleichen hinter die Absperrung schlüpfen konnten.

Ich habe nichts gegen Polizei, ich finde sie entgegen vieler Stimmen sogar ehrenwert und wichtig, gerade bei solch  Veranstaltungen, die ohne Deeskalation schnell gefährlich werden können. Aber die Polizei hatte gerade gewaltsam durchgesetzt, dass jemand an einer rechten Demonstration teilnehmen konnte. So etwas verwirrt mich genauso sehr, wie die Tatsache, dass dieser braune Spaziergang durch meine Stadt überhaupt stattfinden kann.

Ein rechter Mob aus 5000 Menschen, anzusiedeln in Fremdenfeindlichkeit und Rassismus setzt sich in Bewegung. Viele gehören der älteren Generation an, waren vorher vielleicht CDU-Wähler und wissen jetzt nicht mehr wohin, Hauptsache zu einer Partei, die mit der Rhetorik von Sarrazin noch was anfangen kann. Manche sind vielleicht nicht ganz so gebildet und lassen sich von den Geschichten der Menschen um sie herum betören. Manche sind schon lange bekannte Neonazis.

Ein linker Mob aus etwas über 1000 Menschen, der vor kurzem noch mit Trillerpfeifen hetzende Parolen übertönen konnte und Nazidemos im Keim ersticken konnte. Und jetzt, wohin. Die Route der AfD ist lang. Dort, wo sie nicht durch Gebäude oder der Spree geschützt werden, stehen Polizisten. Unter den Linden ist eine sehr breite Strasse, beinahe vier Spuren trennen die Gegenseiten.

Wir schreien trotzdem rüber. Dass sie sich schämen sollten, dass sie mit Nazis marschieren, dass Blut an ihren Händen klebt. Wir wissen nicht mal, ob sie uns hören können, so weit sind sie entfernt. Wir beeilen uns, um zurück zum Bebelplatz zu kommen. Es sind nicht viele von uns dort. Alle haben versucht, sich irgendwo entlang der Strecke an den Rand zu stellen. Aber dadurch haben wir uns auch dünn geschmiert. In der Ferne spazieren Nazis gemütlich an der Humboldt-Universität vorbei, lächeln, winken. Schreien “Nazis raus”, gegen uns gerichtet. Ab und zu pellt sich einer von ihnen ab und schlendert zu uns rüber. Stellt sich hinter einen Polizisten, grinst und filmt uns. Winkt und geht zurück zu “seinem Volk”.

Ich koche fast vor Wut und will ihnen diese Genugtuung nicht liefern. Lieber tue ich alles, was ich jetzt tun kann, und wenn das nur von einem Punkt zum nächsten rennen ist. Die AfD-Demo läuft langsam und in einer dünnen Schlange, es müssen also an jedem Nadelöhr, an dem wir uns aufhalten können, immer genügend von uns anwesend sein. Wir bräuchten eigentlich mindestens doppelt so viele Gegendemonstranten wie AfDler, um wirklich ein Zeichen zu setzen, aber nur ein Zehntel davon ist auf der Strasse. Dieser Fakt bestürzt mich noch mehr. Wo sind denn alle? Ich war früher auch nur bei zwei, drei Gegendemos. Ich fand es immer wichtig, aber manchmal war eben ausschlafen wichtiger. Da waren Nazis aber auch in der Minderzahl, es gab die NSU noch nicht und es gab genügend Leute, die dafür sorgten, dass der braune Mob in Schach gehalten wurde.

Jetzt gibt es keinen braunen Mob, es gibt Pegida, es gibt AfD. Unsere furchtbare Geschichte ist dabei sich zu wiederholen, die Partei, die damals ratlose, besorgte Bürger aufgefangen hat, hiess NSDAP und ihr Siegeszug endete in einem Weltkrieg und der Schlachtung Millionen von Menschen. Ausschlafen ist jetzt einfach nicht mehr drin.

Kurz vorm Brandenburger Tor macht die AfD-Route einen Knick und verschwindet kurzzeitig aus der Sicht, so als würde sie in einen Tunnel abtauchen. Der nächste erreichbare Punkt ist für mich der Hauptbahnhof, Ort der AfD-Abschlußkundgebung. Ich laufe vorbei an der Gegenveranstaltung, die von der SPD, CDU, Grüne, Linke und der Piratenpartei am Brandenburger Tor gehalten wurde. Ein “Gemeinsamer Aufruf für ein weltoffenes Berlin” – löblich durchaus, aber ich kann auf ersten Blick nicht erkennen, was es gebracht hat. Ausser Touristen, die Selfies von sich und der Quadriga machen, sind hier kaum Leute.

Ich eile am Reichstag vorbei, langsam werden meine Beine schwer. Es ist skurril, um mich herum sind nur Touristen, die von der erschütternden Szenerie, die gerade stattfindet, nichts mitbekommen. Am Hauptbahnhof angekommen, bin ich weit vom Bahnhof entfernt. Die Brücke wird von der Polizei versperrt. Das Spreeufer ist gesäumt von Gegendemonstranten, die so laut schreien wie sie können. Ich schreie mit, bezweifle aber, das mehr als leises Gebrabbel es über die Spree schafft.

Dafür hat die AfD gehörig Saft mitgebracht. Ihre Anlage ist so laut, dass wir jedes Wort hören. Ungläubig müssen wir über uns ergehen lassen, wie Brandenburger AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland seinen Anhängern erklärt, dass die Antifa hinter den Brandanschlägen steckt und, man dürfe es ja wohl sagen dürfen, dass vor allem die Afrikaner unsere Konsumkultur auch haben wollen und deshalb zu uns kommen.

Unsere Proteste sorgen zumindest dafür, dass wir diesen Müll nicht selber hören müssen. Als Highlight schafft es ein friedlicher Antifa auf die andere Seite und wird über die Brücke, eine große rote Flagge schwenkend, zurück zu uns eskortiert. Ich will bis zum Ende bleiben, aber mir ist schlecht und ich kann diese verbale Gülle nicht mehr ertragen. Obwohl meine Beine mich kaum noch tragen, entscheide ich mich für einen Herbstspaziergang nach Hause, durch das bunte Laub vom Tiergarten. Irgendwie muss man das braune Zeug ja auch wieder abwischen.

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THE NEW MASTERS

EINE DOKUMENTATION ÜBER MMA UND KUNG FU IN CHINA

Der Originalartikel wurde von Sascha Matuszak geschrieben und kann hier gelesen werden: THE NEW MASTERS: A DOCUMENTARY ABOUT MMA AND KUNGFU IN CHINA. Mein Beitrag simuliert einen ersten Entwurf zur Vorlage. Der etwas holprige Stil des Autors wurde darum beibehalten – ich habe nur kleine Änderungen vorgenommen, um den Lesefluss der Übersetzung zu erleichtern. Um urheberrechtliche Konflikte zu vermeiden, habe ich auf die im Originalbeitrag verwendeten Bilder verzichtet. Stattdessen hier ein Bild von mir.

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MMA ist in China eingeschlagen wie eine Bombe. Jeder größerer Promoter der Welt versucht, in den Markt einzudringen, mit einem unterschiedlichem Maß an Erfolg. Die Kampfkunst-Gemeinschaft der Nation brummt mit Fight Nights und neuen Fitness-Studios, mit Importen aus Brasilien und Reisen nach Thailand, die neuen Schwung in Angriffsstrategien bringen sollen. Mehrere chinesische Kämpfer haben es in die UFC geschafft. Ihre Leistung war zwar bislang nicht sonderlich beeindruckend, sie sind erst die zweite Generation von MMA-Kämpfern aus China. Aber sie sind die ersten, die Mixed Martial Arts Training nach Regelwerk durchführen, die ihr Land verlassen und gegen internationale Wettbewerber antreten. Die ersten, die an der Spitze der MMA-Welt mitmischen.

Vor einigen Wochen reagierten die chinesischen Sportbehörden auf diese Entwicklung, indem sie ein verworrenes Bürokratienetz aufdröselten, das regionale Veranstalter zuvor davon abgehalten hatte, kleinere Kämpfe anzubieten. Da es daraufhin bereits an jedem Wochenende Darbietungen in unzähligen chinesischen Kleinstädten gab, mangelt es mittlerweile an Kämpfern. Jeder lokale Gangster mit Verbindungen zu einem Sanda Club versucht,  ein MMA Fitness-Studio zu eröffnen. Der Markt öffnet sich gerade erst. Noch weiss niemand, wie er funktioniert, das Rennen kann jeder machen.

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Während die MMA-Explosion die chinesische Kampfsportindustrie auf den Kopf stellt, fragt sich die traditionelle Kampfkunst, insbesondere Kung Fu, wo der Zug ist, auf den sie noch aufspringen könnten. Die MMA-Werkzeugkiste enthält viele der weltweit größten Kampfsportarten, Sambo und amerikanisches Wrestling, Boxen und Muay Thai, BJJ und Judo, Taekwondo und Karate. Kung Fu ist auffällig abwesend. Bruce Lee gilt als einer der Väter des MMA, ein Kung Fu-Meister, der die Zukunft des Kämpfens vorhergesagt hatte, das chinesische Festland aber zum Teil wegen dem starren Widerstand gegen äußere Einflüsse und Veränderungen verließ. Nun hat MMA die Tür eingetreten und Innovation wird der Gemeinschaft aufgezwungen.

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The New Masters ist ein Dokumentarfilm, der die Geschichte der chinesischen Kampfkunstgemeinschaft in seinem aktuellen Zustand der Reform wiedergibt und erzählt, wie sie versucht, sich aus einem isolierten Monolithen in etwas Neues zu verwandeln. Der Film folgt einigen Charakteren durch diese Landschaft des Wandels. Einen Shaolin-Kampfkünstler namens Xingxi etwa, der versucht, die Brücke von Kung Fu zu MMA zu schlagen. Xingxi mag etwas naiv sein. Es mag ihm nicht in vollem Umfang bewusst sein, was es bedeutet, einem MMA-Kämpfer tatsächlich im Ring gegenüber zu stehen. Er mag vielleicht einige Male im Würgegriff landen. Aber seine Reise ist ein Mikrokosmos auf dem Pfad, den Kung Fu antreten muss, wenn es von der MMA-Gemeinschaft als etwas anderes als eine malerische, quasi-religiöse Kampfkunst angesehen werden soll, als eine philosophische Untermauerung eher als eine Quelle effektiver Technik. Xingxis Kontrastfigur wird dargestellt von der Kung Fu-Meisterin Zou Fan, die sich vor zwanzig Jahren in der chinesischen Pampa tabulose Kämpfe mit bloßen Fäusten lieferte und nun in den Bergen zum Tao meditiert und Tai Chi übt. Für sie muss Kung Fu nur sich selbst dienen. Echt sein.

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Dann ist da noch die Geschichte von Ning Guangyou, dem Champion des “UFC TUF: China” und seinem eher prosaischen Streben nach finanzieller Sicherheit durch Kampfsportarten. Schließlich folgen wir dem Vergil des Films, Vaughn Anderson, der einst seine Karriere in China als Kämpfer bestritt und nun eher damit ringt, den Ruhestand von sich zu weisen und seinen komfortablen Büro-Job als OneFC’s Mann im Reich der Mitte zu akzeptieren. Das sind unsere Neuen Meister. Jeder von ihnen ist damit konfrontiert, in einer neuen Welt zu bestehen. Jeder von ihnen strebt nach dem zufriedenen Geist eines wahren Kampfkünstlers. Und jedem von ihnen wohnt eine Interpretation für Mao Zedong’s Zitat inne: “Um den Geist zu zivilisieren, muss zuerst der Körper unter Angriff stehen. “

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Kindische Drogenkultur

Bewegt Ihr Kind oft seine Arme, Hände, Beine oder Füße? Rennt es herum während andere sitzen und hat es Schwierigkeiten, geduldig in einer Schlange zu stehen? Wird Ihrem Kind schnell langweilig? Hat es Probleme mit Hausaufgaben und handelt bevor es denkt? Wenn sich diesen Faktoren auch noch Tagträumerei hinzugesellt, sollten Sie laut dem amerikanischen National Institute for Mental Health (NIMH) schleunigst Ihrem Nachwuchs den Kopf durchleuchten lassen.

zappelDenn dies sind, so das NIMH, die Kriterien, die auf das sogenannte Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) hinweisen. ADHS wird weltweit durch Medikamente und begleitende Verhaltenstherapie behandelt. Methylphenidat nennt sich der Wirkstoff, der ab dem Vorschulalter verschrieben wird – besser bekannt als Ritalin, ein Amphetamin-Derivat, das sich das pharmakologische Profil mit Kokain teilt. Als Mitte der neunziger Jahre Massenverschreibungen in den USA bekannt wurden, und auch in Europa ein beinahe dreißigfacher Anstieg im legalen Ritalingebrauch zu beobachten war, machte ADHS zum ersten Mal Schlagzeilen. Dabei teilten sich die Kritiker in drei randlose Gruppen. Die stärksten Skeptiker, unter ihnen auch praktizierende Neurologen, leugneten die Existenz von ADHS als Krankheit und verteufelten die Pharmaindustrie, die neue Generation der Wunderheiler, legalen Drogenbarone und sogar Mörder zu sein. Andere sagten, ADHS sei eine Verhaltensstörung und alleine durch Psychotherapie und Erziehungsmassnahmen zu behandeln – Medikamentation sei eine Folge des zeitgemäßen Trends, jedes Symptom zu pharmazeutisieren. Doch obwohl Skepsis extreme Ansichten nähren kann, lohnt es sich, das Thema nüchtern zu betrachten. Denn diejenigen, die ADHS und die begleitende Behandlung mit Ritalin ernst nehmen, erforschen und behandeln, warnen ebenfalls vor unkritischen Verschreibungen und leichtfertigen Diagnosen.

Infolge des drastischen Anstiegs von Verschreibungen ist insbesondere in den USA, doch auch hierzulande, die Debatte um den Gebrauch von Ritalin und verwandten Medikamenten für die Behandlung von ADHS erneut entflammt. Health Canada, die Kanadischen Gesundheitsbehörde, verkündete am 9. Februar 2005, dass Adderall XR, ein weiteres Medikament gegen ADHS, mit sofortiger Wirkung vom kanadischen Markt genommen werden sollte, nachdem es mit 20 Todesfällen und einem Dutzend Herzinfarkten in Verbindung gebracht wurde. 14 der Verstorbenen seien Kinder gewesen. Obwohl keine der beobachteten negativen Wirkungen auf Überdosierung oder Missbrauch der Droge zurückzuführen waren, bleibt die amerikanische Regierungsbehörde für Lebensmittel und Medikamente anderer Ansicht und behält das Medikament auf dem Markt.

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Das Syndrom läßt sich weder auf „Aufmerksamkeit“ noch  „Hyperaktivität“ reduzieren. Dies halten zwei geltende Klassifikationen fest, die damit auch für Deutschland gelten: Der Standard ICD-10 (International Classification of Diseases) der WHO, der zwischen Aufmerksamkeitsstörung und hyperkinetischer Störung des Sozialverhaltens unterscheidet, sowie das für Psychologen angelegte Normenhandbuch DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders). Letztere basiert darauf, dass die prinzipiellen Eigenschaften von ADHS in drei Subtypen aufgeteilt werden können, wobei der dritte die Kombination aus den vorhergegangenen ist. Das „Hyperaktiv-Impulsive“ Kind des Typ 1, das keine auffälligen Probleme mit der Aufmerksamkeit hat, ist zum Beispiel ständig in Bewegung, redet unaufhörsam oder setzt sich oft hin und steht wieder auf. Beim Versuch, stillzuhalten wird dieser innere Drang mit unkontrollierten und ununterbrochenen Aktionen wie Bleistiftklopfen kompensiert. Die Impulsivität ist üblicherweise hiermit gekoppelt, und Betroffene haben Schwierigkeiten, die Konsequenzen ihrer Handlungen vorauszusehen. So platzen Emotionen und Kommentare bedenkenlos heraus, und drängende Ungeduld führt auch mal zu Tränen. Der zweite, „Aufmerksamkeitsdefizite“ Typ, der keine Hyperaktivität aufweist, wird auffällig durch Vergesslichkeit, leichte Ablenkung durch irrelevante Dinge und die Tendenz, begonnene Aufgaben nicht zu Ende zu führen. Hier wird deutlich, woher das Misstrauen der Skeptiker rührt, denn welches Kind schmeißt mal nicht nach wenigen Minuten seinen Stift hin, um seinen Lieblingsteddy einen Besuch abzustatten. Auch nicht gemachte Hausaufgaben werden als verdächtig angeführt und verständlicherweise von Kritikern als absurd abgetan. Doch die „kleinen“ Unterschiede sind die ausschlaggebenden: Hausaufgaben nicht aufzuschreiben ist vielleicht noch unauffällig, doch oft werden die falschen Bücher mitgebracht, und fertiggestellte Hausaufgaben sind durchgängig mit Fehlern und Korrekturen versehen.

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Die Unsicherheiten, die durch die komplizierte Diagnostik entstehen, werden durch die Ritalin-Kritiker noch verstärkt. Das Mittel wird als die Ursache für die Existenz von ADHS verschrien, und in der Drogenszene zwischenzeitlich auch als „Lovely Rita“ bekannt, löst es bei gesunden Menschen Euphorie und Hyperaktivität aus. Bei ADHS Patienten bewirkt das Psychopharmakon jedoch das Gegenteil: Unruhe und Impulsivität werden geschwächt, die Konzentrationsfähigkeit erscheint sichtlich verbessert. (ABSATZ=FETT?)

Inzwischen wurde Ritalin in den USA und in Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetz gestellt, da ein hohes Suchtpotential besteht. Die Abhängigkeit findet ihren Anfang, wenn große Konzentrationen Dopamin im Gehirn freigesetzt werden. Die Kritiker ankern hier ihre Sorge, da Ritalin Kindern verschrieben wird. Laut der nationalen und jährlich stattfindenden „Monitoring the Future Survey“ von der Universität in Michigan benutzen allein 2,6 % der Achtklässler unverschriebenes Ritalin. Der therapeutische Effekt, so die Mediziner, basiere jedoch auf einem langsamen und anhaltenden Anstieg der Dopaminkonzentration, der etwa dem des natürlichen Dopaminspiegels im Gehirn entspricht. Unter kontrollierten Bedingungen sei das Abhängigkeitsrisiko so nur sehr gering.
Die US Drug Enforcement Administration (DEA), also die amerikanische Variante der Betäubungsmittelpolizei, konzentrierte sich in den Jahren 1996-1999 verstärkt auf dieses Thema und korrespondierte auch mit den Vereinten Nationen, um ihre Befunde mit denen europäischer Begutachter zu vergleichen. Aus ihren Ergebnissen schlossen sie, dass „der Gebrauch dieser Medikamente um Verhaltensstörungen in Kindern zu behandeln … in den USA deutlich verbreiteter [ist] als im Rest der Welt.“ Weiterhin wird in dem Bericht (TITEL?) bemängelt, dass die Vergabepraktiken der Ärzte sehr auf einen Hang zur Über- bzw. Unterverschreibung hindeuteten.

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Dabei wäre es, würde man sich an die Richtlinien des NIMH halten, durchaus machbar, ein Profil des Kindes und seiner sozialen Funktionsbereiche anzufertigen. Da die Diagnostik von ADHS nicht transparent ist, sollte laut dem Institut ein Spezialist alle anderen Möglichkeiten zunächst ausschließen. Abgesehen davon, dass ein auffälliges Verhalten vor dem siebten Lebensjahr aufgetreten sein sollte, muss es auch noch mindestens sechs Monate anhalten und ein reelles Handicap in mindestens zwei sozialen Bereichen darstellen – denn Art und Stärke der Symptome verändern sich je nach Situation, in der die Selbstkontrolle gefordert wird. Sonst werde ein zappeliges Kind schnell als indiszipliniert eingestuft, während ein Tagträumer nur als unmotiviert betrachtet werden könnte. Beide stellen jedoch laut DSM-IV mögliche Kandidaten für ADHS dar. Auch sollte das Kind auf ADHS-ähnliche Merkmale untersucht werden, um Fehldiagnosen zu vermeiden. Insgesamt verbrächte der Spezialist viel Zeit mit dem Kind, seinem Umfeld und diversen Tests, und erst wenn keine andere Diagnose möglich sei, könne er sich auf ADHS festlegen.

Theoretisch. Denn wenn man bedenkt, dass Amerikaner nicht über eine gesetzliche Krankenkasse verfügen, sind Gänge zu Spezialisten auf einmal eine finanzielle Abwägung. Und da Ritalinversorgung heutzutage in den USA nichts ungewöhnliches mehr ist, endet die medizinische Betreuung oft beim Hausarzt und dem Rezeptblock. Dies ist ein zentraler Kritikpunkt, der durchaus Ernst zu nehmen ist. Denn Allgemeinärzte haben die Möglichkeit, Ritalin und dessen Verwandte zu verschreiben, und auch Neurologen, die vielleicht eher mit der Materie zu tun haben, können dies tun. Keiner von ihnen darf eine begleitende Psychotherapie durchführen, und umgekehrt dürfen Therapeuten keine Medikamente herausgeben. So auch in Deutschland: „Es ist erschreckend“, sagt ein Berliner Verhaltenstherapeut. „Nicht mal ich könnte mit gutem Gewissen ein ADHS diagnostizieren. Ein Hausarzt schon gar nicht.“  Doch ob korrekt diagnostiziert oder nicht, dem Kind droht nun zusätzlich die Stigmatisierung. In der Schule meist auffällig genug, ist es nun Opfer der Schulregulierungen, die die Mittagsdosis der Medikation nur unter Aufsicht erlauben. Doch hier weiß die Pharmaindustrie zu helfen: Die zweite Generation von Methylphenidat-Medikamenten muss nur noch einmal morgens eingenommen werden.

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Der Leipziger Psychiater und Privatdozent Dr. Ulrich Müller warnt vor einer Vereinfachung, wenn Aufmerksamkeitsdefizite in den Vordergrund gestellt werden. „Bei Menschen mit ADHS sind vor allem auch die Exekutivfunktionen gestört, also die Fähigkeit, Informationen zu manipulieren, zu überwachen und zu unterdrücken bis hin zum schlussfolgernden und problemlösenden Denken“. Der kognitive Neurowissenschaftler hat vor kurzen den von einem Expertengremium ausgeschriebenen MRC (Medical Research Council) Pathfinder Award gewonnen. Das Preisgeld finanziert nun eine Studie im britischen Cambridge, um die Wirkung von Methylphenidat auf Patienten und gesunde Kontrollpersonen zu testen. Die Studie soll Klarheiten auf mehreren Ebenen schaffen. Sie basiert auf der Theorie, dass eine Reihe von Genen (so genannte Polyphormismen) für die Normalverteilung von Dopamin im Frontalhirn zuständig ist. Die Dopaminspiegel im Gehirn und damit die individuelle Dopamin-Verfügbarkeit seien in der Bevölkerung nach dem Prinzip einer „Gauss-Kurve“ verteilt. „Je weiter links die Person auf dieser Kurve liegt, desto sinnvoller ist eine medikamentöse Behandlung mit [Ritalin]“, erklärt Dr. Müller. Die Theorie des Dopaminmangels ist jedoch umstritten, da keine Klarheit für die tatsächliche Ursache hyperkinetischer Störungen herrscht. Doch alle Betroffenen verbindet ein gemeinsamer Nenner: Die Funktionsstörungen repräsentieren eine regelrechte Anhäufung an Reizen, die nur schwer systematisch als Informationen verarbeitet und gespeichert werden können. Insbesondere in Gruppensituationen, in denen viele Informationen aus verschiedenen Quellen stammen, sind Menschen mit ADHS oft überfordert. Dr. Müllers Studie setzt auch hier an: „Wir wollen unter anderem der Hypothese nachgehen, dass die motorische Hyperaktivität eine Art Selbstbehandlung der Aufmerksamkeitsstörung darstellt.“ Dazu werden erwachsene Patienten mit ADHS zunächst mit speziellen neuropsychologischen Verfahren (WAS SIND SIE?) sowie mit einem am Handgelenk tragbaren Aktimeter zur Aufzeichnung der motorischen Aktivität untersucht. “Um die Ausschüttung von Dopamin im Gehirn zu messen, führen wir anschließend ein nuklearmedizinisches Bildgebungsverfahren durch, die sogenannte Positronen-Emissions Tomographie (PET). 16 Patienten werden zweimal im PET-Scanner untersucht, jeweils nach Methylphenidat und nach einem Placebo”, so Müller.

Fälle wie die von „Casey Jesson“ (siehe Kasten) bestätigen die Notwendigkeit, das Syndrom ernsthafter zu behandeln und sich an den aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu orientieren. Denn die erlebten Nebenwirkungen beschreiben die eines Menschen, der nicht unter ADHS leidet und doch täglich zehn Milligramm Methylphenidat zu sich nimmt. „Bei gesunden Menschen kann Ritalin schneller psychotische Nebenwirkungen auslösen, die durch zu viel Dopamin im Gehirn verursacht werden“, bestätigt Dr. Müller. Doch das bedauerliche Resultat ist, dass eine bösartige Störung durch die Schwierigkeiten ein Krankheitsbild zu definieren, zu einer Modeerscheinung verkommt. So steigert sich auch hier die Gefahr der unkritischen Verschreibungen. Eben gerade weil keine Langzeitfolgen einer Behandlung mit Methylphenidat bekannt sind, seien „dringend Regelungen erforderlich, die die missbräuchliche Verordnung durch Ärzte ohne entsprechende Fachkompetenz unterbinden“, so das Berliner Institut für Arzneimittelinformation.

Hierzulande wird auf dieses Problem immer stärker hingewiesen: der Niedersächsische Kultusminister Bernd Busemann machte am 7. März diesen Jahres deutlich, dass „Probleme mit Kindern und Jugendlichen immer öfter mit dem Rezeptblock des Arztes gelöst werden sollen, als mit elterlicher Zuwendung oder Erziehungsarbeit“. ADHS sei eine ernstzunehmende Störung, die bei möglichst sicherer Diagnose auch mit Ritalin behandelt werden dürfe, doch die Ähnlichkeiten mit anderen „Ursachen der Zappeligkeit“ seien Gründe, um auf der Hut zu sein. „Weder Ärzte, noch Eltern, Lehrkräfte oder ErzieherInnen dürfen sich aus der Verantwortung für die Kinder stehlen“, bekräftigt Busemann.

Angesichts des Verbrauchs an Ritalin in Deutschland, der laut Bundesopiumstelle von 1993 mit 34 Kilogramm auf 639 Kilogramm in 2001 zunahm, ist dieser Aufruf sicherlich berechtigt. Denn unter den Betroffenen befinden sich laut Schätzungen rund 150.000 Kinder, die angeblich unter ADHS leiden. Einer der schärfsten Ritalin-Kritiker Deutschlands ist Gerald Hüther, Professor für Neurobiologie an der Universität Göttingen. In einem Spiegel-Interview prangerte er Kinderarztpraxen an, die sich hauptsächlich durch Ritalinverschreibungen zu finanzieren scheinen: „Wir brauchen strengere Kontrollen wie etwa in Schweden. Dort dürfen nur wenige, ausgewählte Ärzte Ritalin im Rahmen eines detaillierten Behandlungsplans verschreiben.“

Dr. Müller fügt hinzu: „Ritalin ist kein sedierendes Medikament und kann keine Verhaltens- oder Entwicklungsprobleme von Kindern und Jugendlichen lösen, die zu lange vor dem Fernseher sitzen oder vernachlässigt werden“. Schließlich sei das Medikament auch nur ein Mittel, die Symptome zu bekämpfen und das Leben der Betroffenen einfacher zu machen: die Suche nach einer Behandlung der Störung wird noch lange andauern. Um mehr Klarheit zu schaffen, müssen ADHS Betroffene und Unbetroffene gleichsam unstigmatisiert und mit viel Aufmerksamkeit behandelt werden. „Menschen mit ADHS sind oft sehr kreativ, schnell im Denken und begeisterungsfähig“, so Müller. „Diese Stärken gilt es zu fördern.“

KASTEN
Der “Casey Jesson” Fall Ende der achziger Jahre wurde zu einem Normbild der Medienlandschaft im Bezug auf Ritalin. In der Geschichte, die mit Vor- und Nachher Fotos von Casey’s Zeit der Ritalineinnahme in den amerikanischen Nachrichtenblättern „People“ und „USA Today“ gedruckt wurde, geht es um einen 6-jährigen Jungen, dem Ritalin verschrieben wurde, weil er in der Schule indiszipliniert wirkte. Er wurde sehr krank, litt an Magenkrämpfen, Migräne und Erbrechen. Andere Nebenwirkungen setzten sich nach einer Halbierung der Dosis fest, extreme Schlafstörungen sowie signifikante Verhaltensänderungen wie Lügen und Stehlen. Schließlich beschrieb die Mutter Caseys das Aussehen ihres Sohnes als das eines Heroinsüchtigen, er wurde von unkontrollierten Zuckungen und verbalen Ausstößen heimgesucht – Indizien für das Tourette Syndrom. Die Eltern beschlossen das Ritalin abzusetzen, trotz der Warnungen der Ärzte, dass ein plötzlicher Entzug gesundheitliche Folgen haben könne. Die Entzugserscheinungen wurden von dem Schulpsychologen als möglicher sexueller Missbrauch interpretiert – Ende der achziger Jahre war eine regelrechte Massenhysterie ausgebrochen, in der sexueller Missbrauch der Grund für jegliche Form sozialer Unkonventionalitäten war. Als Antwort auf die wachsenden Probleme in der Schule und dem Privatleben nannten die von der Mutter konsultierten Ärzte nur eine Lösung: mehr Medikation. Die Mutter lehnte ab, und Casey endete auf einer Sonderschule. Dort erholte er sich langsam, und die Verhaltensprobleme, die Nebenwirkungen des Ritalins sowie dessen Entzugserscheinungen gingen zurück. Die Eltern klagten beim Bundesgericht gegen die Verweigerung öffentlicher Schulen, Casey ohne Medikation wieder aufzunehmen. Letztendlich bewies sich die Sonderschule als eher hilfreich, um seine Geschichte verarbeiten zu können.

About Me

Who am I

My German father met my mother in Ireland, swept her off her feet and dropped them both in my birthplace Berlin. Continuously subjected to English lullabies and nighttime stories, I really had no choice but to fall in love with books and language. Once I hit the age of sixteen, I decided my vocabulary needed more street cred and I moved to England. At Bryanston School, the scene was more posh than street, but served it’s purpose. My fascination for life, the ocean and the environment led me to faraway Wales, where I studied Marine Biology at Aberystwyth University.

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A rare, snow-covered winter day in Aberystwyth, Wales.

I loved science, but my creative side was shriveling like an unwatered plant. Combining science with photography, filming and writing seemed a plausible possibility in England, where natural documentaries are prime time material and the focus of watercooler talks.

After a diverse range of work experiences in this field, including the BBC, I decided it was time to replenish my scientific Alter Ego with a Masters in Aquatic Tropical Ecosystems. Again, I was torn. I needed both, science and creative work, to feel complete.

I finished the MSc and landed a job at the GFZ German Research Centre for Geosciences. Here, I was given the opportunity to take on the responsibilities needed to aid the communication between 1,100 members of staff, half of which were first-rate scientists acting on a global scale. I also wrote and edited the staff magazine, allowing me to be in touch with both science and creativity at the same time.

Statue inside BBC White City
Statue inside BBC White City

As ever, my language skills were often sought upon by colleagues and I developed a reputation as a reliable translator and photographer at the GFZ.

The free, hard-hitting and honest search for truth that Vice Magazine perpetuates clearly vibes with my passion for research, communication and creativity.